SV 1923 Unterjesingen

Die Geschichte des SV 1923 Unterjesingen
von der Gründerzeit bis in die 60er Jahre

zusammengetragen von Hartmut Schmid im Februar 2022

SVU Aufstellung zum Heimatfilm
SVU Aufstellung zum Heimatfilm

Wir schreiben den 3.März 1923, ein wichtiges Datum in der Dorfgeschichte Unterjesingens.

Es war ein nasskalter Samstag im Monat März. Oberlehrer Mönch blies zufrieden den Qualm der Zigarre in das Gesicht seines Lehrerkollegen Brändle. Dieser konnte nach heftiger Hustenattacke seinen Vortrag über die Werte der körperlichen Ertüchtigung fortsetzen.

Im Gasthaus "Rose" war die gut besuchte Gründungsversammlung des Turn- und Sportvereins Unterjesingen in vollem Gange. Zwei Zigarrenlängen später fand die feierliche Zeremonie ihren Höhepunkt in der Wahl der Ausschussmitglieder:

Vorstand: Obersekretär Rabe Kassier: Paul Hechler Schriftführer: Lehrer Brändle (im Protokoll vermerkt: vorzeitig gegangen wegen anhaltender Hustenanfälle) Turnwarte: Otto Schmid und Karl Jordan Zöglingswart: Karl Kreß Beisitzer: Holzwart und Dittus

In feuchtfroher Stimmung ging man zu später Stund voller Tatendrang auseinander.

Es galt nun für die Sache möglichst viele Vereinsmitglieder zu werben.

Am 26.August 1923 blickten die Vereinsmitglieder voller Stolz auf den soeben fertiggestellten Turn- und Sportplatz in der "Hirschhalde".

Zuvor jedoch sah sich der Vorstand genötigt die Drückeberger seiner inzwischen zahlreich angeworbenen Mitglieder mit folgender Verlautbarung zu konfrontieren:

"Es ist die moralische Pflicht jedes Einzelnen an der Herrichtung des Platzes mitzuwirken. Wer daher ohne Entschuldigung von Arbeitseinsätzen fernbleibt, dem wird folgende Buße auferlegt:

Einmaliges Fehlen 1000 Mark Zweimaliges Fehlen 2000 Mark Dreimaliges Fehlen 3000 Mark Viermaliges Fehlen Vereinsausschluss".

Im Rahmen der Einweihungsfeier am 30. September ist die Rede des Vorstands Rabe überliefert:

"Möge dies die Stätte edlen Sportes bleiben und möge der Verein weiter so wachsen und gedeihen wie die Bäume, die diesen Platz umrahmen. Nicht leicht findet man im ganzen Gäu eine Schöneren, um den Sport pflegen zu können ...".

Durch die galoppierende Inflation besann sich der Verein drauf Bußen und Beiträge in Naturalien zu erheben.

Kassier Hechler erfand hierzu das "Agrar-Währungssystem" (AWS), bestehend aus folgenden Währungseinheiten:

1 Monatsbeitrag für Zöglinge = 1 Hühnerei
1 Monatsbeitrag für Turner = 2 Hühnereier oder 1 Pfund Weizen
1 Auftrittsgage Musikkapelle = 2 Zentner Weizen

In dieser Zeit stellte man in "Iasenga" eine rasch zunehmende Hühner- Tierhaltung fest.

Verschiedene Anträge weitere Naturaleinheiten in das AWS aufzunehmen (so z.B. Stallhasen, Hopfen, gebrauchte Schuhe, Knöpfe, Unterhosen, Teppichklopfer. ...) , wurden zwar erwogen, letztlich jedoch aus verwaltungs- und lagertechnischen Gründen abgelehnt.

Sportlich gesehen sorgte im Juli 1924 erstmals die Jesinger Faustballmannschaft für Aufsehen, mit dem Erreichen des zweiten Platzes hinter dem Turnerbund Tübingen bei einem Turnier in Kusterdingen. Im Dezember 1924 ernannte man das Hinterzimmer der Rose zum Vereinslokal, geschmückt mit errungenen Pokalen und Diplomen.

Bereits im Juni anno 1924 richtete Vorstand Wilhelm Rabe folgenden erfolgreichen Appell an den Schultheißen Wizemann:

"Ich beehre mich als Vorsitzender der von den drei Vereinen Turn- , Gesangs- und Radverein ernannten Kommission, Ihnen den Antrag betreff Umbau der Kelter zu einer Gemeindehalle vorzulegen. In unserer Gemeinde ist es ein Missstand, dass es den Vereinen, ja selbst der Schule, an einer Halle fehlt. Das große Interesse, welches der Turnverein in seinem ersten Jahr zu verzeichnen hatte, ist durch das Nichtvorhandensein einer geeigneten Übungsstätte in der kalten Jahreszeit so gesunken, dass der Verein kurz vor seiner Auflösung stand. Der einzige Übelstand ist der, dass die jungen Leute nicht in der Lage sind, sich im Winter weiter dem Turnen widmen zu können. Wir beantragen daher uns eine der zwei nahezu ungenutzten Keltern zur Verfügung zu stellen ...".

Zwischen 1924 und 1928 hat der TSV im Winter in der Kelter geübt. Damit die Turner Riesenschwünge am Reck machen und an den Ringen turnen konnten, haben sie die waagrechten Zugbalken herausgesägt. Das war der Anfang vom Ende der "Blaubeurer Kelter" (heute Kreissparkasse) aus dem Jahre 1438, dem ältesten bekannten Gebäude Jesingens. Ohne Balkenstabilität drückte das schwere Dach die Längsmauern mehr und mehr nach außen.

Parlallel dazu begann der Verein mit einem Hüttenbau auf dem Sportplatz, welche im Mai 1926 mit einem Waldfest eingeweiht wurde.

Turnverein Planung Hütte mit Turnplatz 1923
Turnverein Planung Hütte mit Turnplatz 1923

Der Sportplatz im "Hirschhaldewald" hatte die Maße 30 auf 100 Meter. Die Hütte mit 7 auf 3 Meter und einem offenen Vorraum stand noch nach dem 2. Weltkrieg.

Im Jahre 1925 zählte der TSU die stattliche Anzahl von 130 Mitglieder bestehend aus 22 Turnern im Mannesalter, 15 männliche und 11 weibliche Jugendliche, 22 Schüler, 23 Schülerinnen im Kindealter und 37 Passive. Bei den Neuwahlen 1927 kam es zu Änderungen in der Vorstandschaft.

Kassier wurde Otto Schmid, Schriftführer Eugen Reichert, Vereinsdiener Eugen Seibold, 1.turnwart Max Auch- Schwelk, 2. Turnwart Karl Jordan und Hallenwart Ernst Seibold. Vorstand Wilhelm Rabe blieb im Amt. In diesem Jahr hatten die Turner große Erfolge. Die Vereinsriege holte sich in Gönningen die Gaumeisterschaft. Sportlicher Höhepunkt war ein beachtlicher 2.Preis beim Württembergischen Verbandsturnfest in Kornwestheim. Otto Seibold und Karl Jordan waren unter den Besten. Angesichts der Erfolge und in Anerkennung besonderer Leistungen durfte der Verein das Gauturnerfest 1928 ausrichten. Gesellschaftlich und sportlich war dies ein voller Erfolg. Der Titel Gaumeister im Vereinsturnen konnte wiederholt werden. Insgesamt gewann der TSV 1928 auf Turnfesten 81 Preisen mit folgenden Aktiven:

Sieger im Zehnkampf: Max Auch-Schwelk, Albert Schnaidt, Karl Jordan, Heinrich Müller, Albert Seibold, Emil Schmid, Ernst Seibold.

Sieger im Sechskampf: Albert und Gustav Theuer

Sieben Turnerinnen, sieben Preise, sieben Namen: Frieda Zeller, Elsa Gewinner, Irma Finkbeiner, Pauline Göhring, Julie Theurer, Hedwig Theurer und Paula Rall. Im Jugendturnen errang Paul Seibold eine Auszeichnung.

Zum ersten Ehrenmitglied wurde ernannt: Schultheiß Wizemann.

Am 14. April 1930 verstarb unvermittelt der verdienstvolle und vorbildliche Vorstand Wilhelm Rabe.

In seine Fußstapfen trat Bürgermeister Sautter.

Sportlich gesehen war dieses Jahr das erfolgreichste vor dem Kriege.

102 Preise gewannen die Turner und Leichtathleten des Vereins. An der reichen Ausbeute waren u.a. beteiligt: Paul Seibold, Emil Schmid, Heinrich Schneck, Gustav Kaiser, Eugen Sinner, Albert Schnaidt,

Emmerich Seibold und Max Auch- Schwenk. Bei den Jugendlichen findet man immer wieder:

Fritz Waiblinger, Karl Schmid, Eugen Rebstock, Walter Kienzlen, Eugen Ambacher, Eugen Wandel, Eugen Rall, Irma Finkbeiner, Elsa Gwinner, Marie Seibold, Paula Rall, Emma Schnaidt und Frieda Zeller. Die Gaumeisterschaft im Faustball wurde ebenfalls errungen.

Anfang 1931 übernahm Otto Wizemann den ersten Vorsitz.

Turnverein mit Anhang im guter Stimmung zwischen 1. u. 2. WK
Turnverein mit Anhang im guter Stimmung zwischen 1. u. 2. WK

Mit Oberlehrer Mönch unternahmen die Vereinsmitglieder viele Wanderungen, Sommers wie Winters.

Im Zuge der Einführung des Handballspieles beschloss man die notwendige Erweiterung des Sportplatzes auf 35 x 100 Meter.

Die Jahre 1932 und 1933 standen ganz im Zeichen der Vereinsjugend. Die erfolgreichsten Sportler dieser Zeit waren: Otto Rall, Wilhelm Schumacher, Rudolf Kienzlen, Eugen Bierlinger, Hans Stickel und der in Folgezeit als Fußballspieler so erfolgreiche Ludwig Klett.

Durch die politischen Wirren trat in der Folge ein Tief im Unterjesinger Vereinsleben ein. Erst 1936 erwachte der Verein unter dem Vorstand Gustav Eiting zu neuem Leben. Überwiegend betrieb man in dieser Zeit Ballspiele. Neben Faustball und Handball kam der Fußball immer mehr auf. Gegner dieser Zeit waren Kayh, Reusten und Walddorf. Gegen die Mannschaft aus Stuttgart- Prag verlor man nach überzeugender Leistung nur knapp.

Mit von der Partie waren: Ludwig Klett, Otto Schnaidt, Walter Arnold, Eugen Bierlinger, Gustav Seibold und Eugen Ambacher.

Dann kam der Krieg. Das Vereinsleben kam zum Stillstand

SVU 1.Jugendmannschaft 1946
SVU 1.Jugendmannschaft 1946

Der Zweite stehend von rechts ist der spätere langjährige Vorstand Emil Hechler. Der erste Trainingsplatz war die Bondenwiese des Hugo Schmid zwischen Gasthaus Rose und dem Autohaus Löffler (heute Agip). Mit einem von den 1945 einmarschierten Soldaten liegen gelassenen Telefondraht wurde der Strom von der Rose rüber geleitet. An einer Hopfenstange hing eine elektrische Birne. So kamen die Unterjesinger zu ihrer ersten Flutlicht Anlage. Zitat des damaligen Trainers Richard Schmid: "ich hatte von Taktik und Technik keine Ahnung".

SVU 1.Mannschaft anno 1947
SVU 1.Mannschaft anno 1947
7807 SVU 2.Mannschaft 1947
SVU 2.Mannschaft 1947
SVU 1.Mannschaft 1947 anl. Ehrung  Richard Schmid am 7.3.85
SVU 1.Mannschaft 1947 anl. Ehrung Richard Schmid am 7.3.85
SVU 1.Mannschaft 1948
SVU 1.Mannschaft 1948
7802 SVU 1. Mannschaft Ende 40er
SVU 1. Mannschaft Ende 40er
SVU 1.Mannschaft 50er
SVU 1.Mannschaft 50er
SVU 1.Mannschaft 50er
SVU 1.Mannschaft 50er
SVU 1.Mannschaft 50er
SVU 1.Mannschaft 50er
SVU 1. Mannschaft 1955
SVU 1. Mannschaft 1955
Postkarte Sportheim zur Einweihung 1967
Postkarte Sportheim zur Einweihung 1967

Aber nur für heute, demnächst geht es weiter!